Lieber arm als Vollzeit – Mein Leben mit 800 € monatlich: Teil 2

Mein Leben mit 800 € netto monatlich: Teil 2

Mittlerweile ist der zweite Monat mit meinem neuen Gehaltsgefüge angebrochen und ich kann schon einmal die erste Bilanz ziehen. Vorweg: Es klappt besser als gedacht, nur die letzte Woche ist etwas problematisch. Mein Netto Gehalt musste ich übrigens noch einmal nach unten korrigieren. Insgesamt sind es 788 € die mir für einen Monat bleiben. Bevor ich den Job überhaupt angenommen habe, musste ich deshalb natürlich erst einmal meine Fixkosten kalkulieren und meine Ausgaben einteilen. Hier seht ihr meine monatlichen Kosten aufgelistet:

Ausgaben:
388 € Miete mit Nebenkosten
160 € Lebensmittel
40 € Benzin für den Arbeitsweg
40 Internet / Telefon / Netflix
50 € Versicherungen und Kontoführung
8,33 € Rundfunkbeitrag (auf Monate gerechnet)
10 € Unterhaltung
25 € Kosmetik
25 € Kleidung
3 €  – Spenden (jährlich auf Monate)
749,33 €

Wie ihr sehen könnt, ist das Ganze extrem knapp bemessen. Im April habe ich deshalb bewusst etwas mehr ausgegeben um zu schauen, wie sich das auswirkt. Gegönnt habe ich mir unter anderem eine neue Sonnenbrille für 33 € , zwei Milkshakes für insgesamt 6 € und Essen und Benzin für ein Konzert die nochmal mit 20 € zu Buche schlugen. Damit bin ich also schon über 20 € im Minus. Zusätzlich kam noch eine Autoreparatur dazu, die allerdings mein Vater (Danke Papa!) mit 200 € übernommen hat – den Rest mit 11 € ich. Wären wir also schon 30 € im Minus. Hätte ich mir die Sonnenbrille nicht gegönnt, hätte es bis hierhin also eigentlich ganz gut hin gehauen.

Allerdings funktioniert mein Leben nicht ohne externe Hilfe: Ein Auto könnte ich mir mit so wenig Geld auf keinen Fall leisten. Mein Vater übernimmt für mich deshalb die Versicherung und schießt auch immer mal wieder Einiges zu den Reparaturen dazu. Ich wüsste nicht einmal, ob ich meinen Job sonst machen könnte: Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln für 40 € im Monat zur Arbeit zu kommen könnte mehr als schwierig werden. Liebe Deutsche Bahn: “10 € für eine Einzelfahrt nach Frankfurt – eine Strecke von 40 km – sind echt verdammt dreist!”.  Egal, weiter im Text.

Wo man sofort einen Mangel bemerkt, ist beim “Essen gehen” – es ist einfach de facto nicht möglich. Auch sonstige soziale Ausgaben wie Ausgehen oder sogar Freunde mit dem Auto besuchen sind so gut wie nicht drin. Mir ist schon klar, warum sich hier einige nur wegen des Studententickets für einen Studiengang einschreiben (eigentlich nicht Sinn der Sache, liebe Regierung!) – man kann es ihnen aber nicht übel nehmen bei diesen ÖPNV Preisen. Auch 1 Kaffee auswärts oder Kultur sind mit so wenig Geld einfach leider nicht möglich. Wenn ich alleine 20 € für die Bahn nach Frankfurt zahlen muss, kann man sich ja ausrechnen, dass das nicht geht. Meine Freundin und ich halten deshalb immer die Augen offen nach Kombi-Ticket-Angeboten (Sollte es eigentlich für jedes Museum geben!). Mein Konzertticket hatte ich übrigens noch im letzten Jahr gekauft. 40 € – nun ein Ding der Unmöglichkeit 😉

Dazu kommt noch, dass mein Gehalt leider nicht direkt am 1. des Monats auf mein Konto eingeht sondern so ungefähr um den 10. herum – manchmal auch später. Da muss man seinen Konsum wirklich gut timen um die Daueraufträge nicht in den Dispo laufen zu lassen, was wiederum dazu führt, dass man in der letzten Woche echt auf dem Zahnfleisch geht. Unwichtigere Einkäufe schiebe ich deshalb gerne in die nächste Woche.  Nichtsdestotrotz war ich erstaunt, wie man doch relativ gut mit so wenig Geld zurecht kommt. Wir wohnen jetzt nicht gerade unschön und ich spare auch garantiert nicht am Essen (Danke Penny – ohne euch wäre das so auch nicht möglich). Trotzdem ist es im Grunde wirklich ein Leben in Armut, denn am Sozialen muss ich definitiv sparen. Auch jede größere Anschaffung oder auch Weiterbildungsinvestition kann das sehr brüchige Gefüge sofort zum Einsturz bringen. Mit ungefähr so viel Geld auf Hartz4 zu leben – mit dem zusätzlichen Stress von der Agentur – ich stelle es mir unschön vor.

Deshalb geht es auch bei mir nicht ohne Nebenjob – das war mir ja bewusst bzw. ja sogar Ziel meiner Jobsuche. Ich wollte meine Einnahmen in der Musik langfristig ausbauen. Es wäre ja schon mal ein Anfang, wenn man die 12 € bis zu den 800 € monatlich mit Musikverkäufen einnehmen könnte. Aber das erscheint in den heutigen Zeiten leider immer noch in weiter Ferne. Ich bin ja nicht der einzige Mensch, der in diesen Zeiten sparen muss. Und dank Spotify kaufen wir Menschen natürlich auch nicht mehr so viel Musik. (Wer mich auf Bandcamp ein bisschen unterstützen will – Bitte gerne – wie ihr sehen könnt, hilft mir das wirklich). Zum Glück habe ich zur Zeit immer noch einige kleine Einnahmen, welche ich über die Musikschule oder über meine Tätigkeit als Musikproduzent generiere. Das hilft mir ein kleines Polster aufrecht zu erhalten – für die schlechten Zeiten könnte man sagen. Dieses Jahr wird dann auch zeigen, ob sich das Leben als Musiker langfristig ausbauen lässt. Schön wäre es ja.

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